Donnerstag, 25. September 2014

Die alte Liebe - Mehr ein Gefühlsausdruck als eine Rezension (ASP - 'Per Aspera Ad Asprera')

Mittwoch, 24.09.2014, gegen 12 Uhr. Ich habe frei, und als notorischer Langschläfer liege ich noch im Bett. Doch dann klingelt es an der Tür, schlagartig werde ich wach, springe auf und zur Tür. Es ist der Paketbote, und er überreicht mir ein Paket. "Herz und Verstand Merchandising" steht als Absender auf dem Etikett. Es ist das neue Best-of-Album von ASP, von der Band lieber "Werkschau" als "Best-Of" genannt, und unter dem Titel "Per Aspera Ad Aspera" (Frei Übersetzt: Durch das Raue in das Raue) geführt. Eigentlich kann man ein Best-Of-Album, Pardon, eine Werkschau nicht mit einer solchen Spannung erwarten. Allerdings ist man als ASP-Fan verwöhnt, dazu gehrt auch, dass man die CD bereits am 24. in den Händen hält, wenn sie eigentlich erst am 26. erscheint. Ich freute mich auf die unveröffentlichten Bonussongs auf CD 3, die nur der Limited Edition beiliegt (Aber auch für 10€ gedownloadet werden kann).

Für mich entdeckt habe ich die Band erst im Jahr 2008. Die Band bestand natürlich vorher, aber mein Gott, ich war damals erst 15, da fängt man gerade erst an, so etwas wie "Gute Musik" für sich zu entdecken. Damals hatten wir Kuchen gegessen, da ich Geburtstag hatte, und aus irgendeinem Grund lief im Wohnzimmer das frisch erschienene "Zwischenalbum" "Zaubererbruder" von ASP, und ich begann mich zu interessieren. Es war allerdings nicht das erste mal, dass ich Songs von ASP hörte. "Sing Child" und  "Ich will Brennen" kamen mir lange vorher zu Ohren, wurden von mir aber nicht so recht wahrgenommen. "Zaubererbruder" klang anders. Ich begeisterte mich damals für Mittelalter-Rock und Folk-Rock, und die stark Folk-lastige Inszenierung von Zaubererbruder, eine Vertonung der Krabat-Sage, schlug da genau in meine Kerbe. Von diesem Ausgangspunkt klickte ich mich bei YouTube durch Songs der band, einige gefielen mehr, andere weniger. Bald besuchte ich das erste Konzert, ASP waren auf Akustik-Tour, und spielten auch im nahen Osnabrück. Mehr Songs der Band wurden entdeckt, und auch der Humor des Frontmanns und Masterminds Asp (Alexander Spreng). Die nächste Veröffentlichung der Band, Akoasma, ein Live-Album von der letzten Rock-Tour, noch im selben Jahr erschienen, wurde schließlich gekauft.

Mit dem Paket in den Händen ging ich ins Wohnzimmer, das Album schnell ausgepackt. Ich bewunderte die wertige Aufmachung, legte die Bonus CD in den Player, die eigentliche Werkschau rückte bei der Vorfreude auf neuen Input in den Hintergrund. Während der erste Song "Man of Constant Sorrow" zu spielen begann, blätterte ich mich durch das Artwork. Aufwändiges Artwork ist eine Tradition der Band. bei der Werkschau wurde zu (fast) jedem Song ein neues Artwork gezeichnet, gestaltet von Timo Würz, der unter anderem schon für Marvel, DC Comics und Disney gearbeitet hat. Mit einem besonderen Lächeln stieß ich auf das Artwork zu Biotopia, ein Song über die wachsende Entfremdung zwischen den Menschen. Das Artwork zeigt ein bekanntes Bild, Menschen, die einsam auf einem Felsen im Meer sitzen, alleine, umgeben von weiteren Felsen, besetzt von weiteren, einsamen Menschen. Auf ihren Körpern tragen sie Stacheln, und ein paar zerstochene Flügel. Ein Bild, das direkt aus dem Songtext entlehnt ist. Bemerkenswert vor allem deswegen, weil dieses Artwork eigentlich schon für das 2007 erschienene Album "Requiembryo" geplant war, aber nie umgesetzt wurde. Es entstand lediglich eine Skizze, zu sehn im Buch "Horror Vacui".

"Man of Constant Sorrow" ist eigentlich ein US-Amerikanisches Traditional, passt aber wie die Faust aufs Auge zu der Band, die oft mit Rückschlägen zu kämpfen hatte. Im Jahr 2003 floppte das 3. Album der Band "Weltunter", der dritte Teil der Schmetterligns-Saga, durch die Pleite des unabhängige Vertriebs EFA. Das Label bei dem die Band veröffentlichte, Trisol, wurde unmittelbar getroffen durch die Vertriebsinsolvenz und sah sich in finanziellen Nöten. Die Reaktion war eine Veröffentlichungsoffensive, bei der das Label auch ein Best Of ("Interim Works Compendium") der damals noch Jungen Band ASP veröffentlichte - ohne die Einwilligung der Band. Die Band kündigte darauf ihren Plattenvertrag, dennoch werden bis Heute alle ASP Alben bei Trisol veröffentlicht, Jahre lang geschah dies nur mit einem Handschlag-Vertrag. Im Jahr 2011 kam es vor der Produktion des 7. Studio Albums ("fremd") zum Bruch innerhalb der Band, als Mitbegründer und Gitarrist Matthias Ambre die Band nach 12 Jahren verließ. Später verließ auch Drummer Oliver Himmighofen die Band. Es war nicht der erste Bruch mit einem Weggefährten. Trotz oder gerade wegen diesem Umbruch in der Band wurde das Album ein voller Erfolg, und wird von Fans bisweilen als Meisterwerk benannt. Heute ist die Band ein, wenn nicht das Zugpferd von Trisol, das zuletzt erschienene 8. Album "Maskenhaft" kletterte auf Platz 8 der Deutschen Albumcharts. Ein beachtlicher Erfolg für die Nischenband ASP.

2008 war die Zeit kurz nach der Trennung meiner Eltern. Rückblickend litt ich damals an Depressionen. Nachdem ich über "Zaubererbruder" die Band für mich entdeckte, stieß ich bald auf das eigentliche Kunstwerk der Band. Der Liederzyklus des Schwarzen Schmetterlings, erschienen zwischen 1999 und 2007 auf 5 Alben*, eine musikalische Erzählung, die die Spielzeit von Pink Floyds "The Wall" um etwa 7 Stunden übertrifft. Gerade wegen dem Schatten, der damals auf meinem Leben lag, fiel es mir leicht, mich in diesen Songs wieder zu finden, die Songs sollten zu einer Art Soundtrack meines lebens werden, und noch heute fühle ich ein Gefühl von Heimat, wenn ich Songs wie "Die Ruhe vor dem Sturm", "Die Ballade von der Erweckung" oder "Der Schwarze Schmetterling" höre. Songs wie "Schwarzes Blut" sind nach wie vor ein Trotzschrei in Problembehafteten Zeiten.

"Ich lebe immernoch, Immernoch!
Ich gebe immernoch, Immernoch!
Und ich taumel weiter:
VORWÄRTS, ABWÄRTS!..."

Die CD spielt weiter, auf "Man of Constant Sorrow" folgt "Sündige Heilige", ein weiterer neuer Song. Er soll eine Art Jubiläumshymne für die Band werden. Kein schlechter Song, aber an Hymnen mangelt es ASP nun wirklich nicht. Das bereits erwähnte "Schwarzes Blut", "Der Schwarze Schmetterling", "Sing Child", "Werben"... und allen voran "Ich will Brennen". Ein Song, der letztendlich darüber handelt, dass man über sich hinauswächst, sich selbst überwindet, die eigenen Ängste hinter sich lässt. "Und wenn du meinen Namen morgen schon vergisst...". Wenn man nach einem ASP Konzert eine Zugabe will, ruft man nicht "Zugabe", man ruft "Wir wollen brennen!".

Auf der Werkschau sind auch einige Tributes von anderen Bands an ASP zu finden, gewissermaßen Geburtstagsgeschenke. The 69 Eyes covern "Sanctus Benedictus", Eisbrecher covern "Schwarzes Blut"... ASP selbst hinterlaßen allerdings mit einer Live-Aufnahme des Songs "I don't wanna be me", im Original von Type O Negative, ein Tribute auf ihrer Werkschau. Für Asp eine Verneigung vor einem Idol, dem 2010 verstorbenen Peter Steele. Das Album "fremd" war ihm gewidmet.

Auf die Dauer wurde Asp, bürgerlich Alexander Spreng, für mich zu einem Idol, einem Lieblingsdichter.  Er schaffte es mit jeder neuen Veröffentlichung, einen Nerv bei mir zu treffen. Die Werke der Band sind ein Dreiklang aus Artwork, Musik und Text, und bei kaum einer Band ist der Text so enorm wichtig, wie bei ASP. Die Alben der Band sind zusammenhängende Geschichten, mit einem breiten Deutungsspektrum und versteckten Stilmitteln. Den Schwarzen Schmetterling sollte ich schließlich für meine Facharbeit in der Oberstufe analysieren. Bei all der Liebe zur Musik darf man nicht unerwähnt lassen, dass Asp Spreng auch ein herausragender Lyriker ist. Texte wie "Das Minnelied der Incubi" oder "Panik" sind handwerkliche Meisterleistungen, die Versverschränkung in "Panik" habe ich in dieser Qualität noch nie irgendwo gesehen. Die Qualität der Asp'schen Texte wird deutlich, wenn man die Texte ohne Musik einfach laut liest. "Die Ballade von der Erweckung" muss sich vor Goethes Zauberlehrling und Poes Raben nicht verstecken.

Der letzte Bonussong auf der Werkschau ist "All die vielen Jahre", den Asp mit Vincent Sorg ohne den Rest der Band produzierte. Ein Song über Enttäuschungen auf dem Lebensweg, und über den Eindruck auf diesem das ein oder andere mal falsch abgebogen zu sein. Bei der Hörprobe proklamierten einige, ob jetzt die "Grafisierung" von ASP drohe, ein Seitenhieb auf die Band Unheilig, die ursprünglich aus der selben Szene wie ASP stammt, aber mittlerweile von vielen aus eben jener Szene kritisch beäugt wird, wegen ihres Vorstoßes in den Mainstream. Tatsächlich bewegt sich "All die vielen Jahre" klanglich irgendwo zwischen Deutschrock und Neue Deutsche Welle, ist aber wie immer ganz großes Kino. Einmal mehr schafft es Asp Zeilen zu schaffen, die mir aus der Seele sprechen. "So viele Jahre warst du nicht mehr als ein trauriges Gespenst" ist eine Zeile, die jemanden wie mich, jemanden, der Probleme hat sich anderen Menschen gegenüber auszudrücken, der kaum Nähe zu anderen aufbauen kann, unvermittelt trifft. Bei dieser Zeile wurde mir meine alte Liebe zu ASP deutlich, wie keine andere Band schaffen ASP es, Songs zu schaffen, mit denen ich mich identifizieren kann, in denen ich mich wiederfinde, und letztlich heimisch fühle. Dies gipfelte letztes Jahr, als ich den Song  "Wanderer" zum ersten mal hörte. Ich weinte. ASP hatten unfreiwillig mein Selbstbild vertont.

Zum Schluss bleibt mir zu ASP nicht mehr viel zu sagen. Ich bedaure es sehr im Oktober bei der Jubiläumstour nicht dabei sein zu können, ASP Konzerte sind immer intensiv, eine Achterbahn der Gefühle. Ich möchte diesen Eintrag schließen, in dem ich einfach Danke sage.

Danke ASP. Für alles.



*In der korrekten Reihenfolge: "Hast du mich vermisst?" - ":Duett" - "Weltunter" - "Aus der Tiefe" - "Requiembryo"

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